Bayerisches LSG Beschluss vom 25.09.2015, Az. L 2 SF 64/13 B - Befangenheit eines Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren, der auch als beratender Arzt des beklagten Unfallversicherungsträgers tätig ist. September, 2015.
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Streitig war, ob eine begründete Besorgnis der Befangenheit gegenüber einem im SG-Verfahren tätigen Sachverständigen bestand. Die Beschwerdeführerin ist Klägerin in einem Rechtsstreit vor dem SG Würzburg, der die Anerkennung zweier Berufskrankheiten betrifft. Das SG hatte Professor Dr. S. zum Sachverständigen bestellt und ein Gutachten in Auftrag gegeben. Die Klägerin – jetzige Beschwerdeführerin – lehnte den Sachverständigen als befangen ab, insbesondere weil er früher für die Beklagte – jetzige Beschwerdegegnerin – als beratender Arzt gearbeitet habe und dies evtl. immer noch tue. Professor Dr. S. räumte ein, im Rahmen einer Nebentätigkeit gegen Honorar gelegentlich auch beratend für die Beklagte tätig zu sein, allerdings nicht in dem streitbefangenen Fall. Das SG lehnte den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit ab. Eine etwaige Tätigkeit als beratender Arzt oder Gutachter für Berufsgenossenschaften in anderen Verwaltungsverfahren begründe noch nicht die Besorgnis der Befangenheit. Das LSG gab der Beschwerde statt. Gemäß § 118 Abs. 1 SGG seien im SG-Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen die entsprechenden Vorschriften der ZPO anzuwenden. Nach §§ 406 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 1 und 2 ZPO müsse ein Grund vorliegen, der geeignet sei, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Ein fortbestehendes Beratungsarztverhältnis zum beklagten UV-Träger begründe – auch nach einer in der SGG-Kommentierung vertretenen Ansicht – die Besorgnis der Befangenheit (vgl. Rz. 14). Eine solche Beratungsarzttätigkeit setze eine besondere Vertrauensbeziehung voraus. Hieraus entstehe eine „besondere Nähe“ zum UV-Träger, die aus Sicht des Versicherten auch bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise geeignet sei, Misstrauen gegen die Unpar- teilichkeit/Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu begründen. Damit sei eine Wertung, dass der Sachverständige tatsächlich parteilich/voreingenommen sei nicht verbunden, aber auch nicht erforderlich. Offen bleibe, ob ein früheres, inzwischen beendetes Beratungsarztverhältnis mit dem beklagten UV-Träger die Befangenheitsbesorgnis rechtfertige, ebenso, ob eine Tätigkeit als beratender Arzt bei einem anderen UV-Träger die Besorgnis der Befangenheit begründe. Ferner könne hier dahingestellt bleiben, ob und in wieweit eine gutachterliche Tätigkeit des Sachverständigen für den beklagten UV-Träger in anderen als dem konkret streitigen Fällen die Besorgnis der Befangenheit rechtfertige (vgl. Rz. 15). (Hinweis: Zur Tätigkeit eines Sachverständigen im SG-Verfahren, der gleichzeitig für einen anderen UV-Träger in Verwaltungsverfahren tätig ist, s. auch Beschluss des LSG NRW vom 22.12.2006 – L 4 B 12/06 U – [UVR 03/2007, S. 134], wonach kein Befangenheitsgrund vorlag. Zur Befangenheit im Verwaltungsverfahren vgl. die Parallelvorschrift des § 17 SGB X).

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