BGH, Urteil vom 06.02.2014, Az. IX ZR 245/12 - Anwaltshaftung; Verjährungsbeginn. June, 2014.
BGH, Urteil vom 06.02.2014, Az. IX ZR 245/12 - Anwaltshaftung; Verjährungsbeginn [link]Paper  abstract   bibtex   
aa) Für die kenntnisabhängige Verjährung des Arzthaftungsanspruchs ist anerkannt, dass die Kenntnis vom Schaden nicht schon dann bejaht werden kann, wenn dem Patienten lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist (BGH, Urteil vom 3. Februar 1998 - VI ZR 356/96, NJW 1998, 2736; vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, NJW-RR 2010, 681 Rn. 6 6 mwN). Vielmehr muss ihm aus seiner Laiensicht der Stellenwert des ärztlichen Vorgehens für den Behandlungserfolg bewusst sein. Deshalb beginnt die Verjährungsfrist nicht zu laufen, bevor nicht der Patient als medizinischer Laie Kenntnis von Tatsachen erlangt hat, aus denen sich ergibt, dass der Arzt von dem üblichen ärztlichen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich gewesen wären (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99, NJW 2001, 885, 886 insoweit in BGHZ 145, 358 nicht abgedruckt; vom 10. November 2009, aaO mwN). bb) Auch für den Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung eines Amtshaftungsanspruchs muss der Geschädigte zumindest solche tatsächlichen Umstände kennen, die ihm eine schuldhafte Amtspflichtverletzung als naheliegend erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 - III ZR 76/92, NJW 1994, 3162, 3164; vom 2. April 1998 - III ZR 309/96, BGHZ 138, 247, 252 f; Beschluss vom 12. Oktober 2006 - III ZR 144/05, NVwZ 2007, 362 Rn. 27; vom 17. September 2008 - III ZR 129/07, nv, Rn. 1; Staudinger/ Wöstmann, BGB, 2013, § 839 Rn. 374). cc) Ebenso wird in Fällen unzureichender Aufklärung für den Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung beim geschädigten Anleger auch die Kenntnis der Umstände einschließlich der wirtschaftlichen Zusammenhänge verlangt, aus denen sich eine Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt (BGH, Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1447; vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346 Rn. 27, jeweils mwN; vgl. auch MünchKomm-BGB/ Grothe, 6. Aufl., § 199 Rn. 26). dd) In Einklang hiermit geht das Schrifttum allgemein davon aus, dass alleine die Kenntnis der tatsächlichen Umstände dem Laien noch keine Kenntnis der Pflichtwidrigkeit einer Handlung vermittelt (Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 3. Aufl., § 199 Rn. 24; Kesseler in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 8. Aufl., § 199 Rn. 14; Theisen/Theisen in Festschrift Nobbe, 2009, S. 453, 461 ff, 468). b) Diese Grundsätze sind auch für die Rechtsberaterhaftung heranzuziehen. aa) Der Mandant ist in einer vergleichbaren Lage wie der Patient, der Amtshaftungsgläubiger oder der Anleger. Auch er ist in der Regel nicht fachkundig, hat seine rechtlichen Belange dem dazu berufenen Fachmann anvertraut und kann daher dessen etwaige Fehlleistungen - eben wegen seiner Rechtsunkenntnis - nicht erkennen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2002 - IX ZR 99/02, WM 2003, 928, 930). Die Fachkunde des Rechtsanwalts und das Vertrauen seines Auftraggebers begründen typischerweise im Rahmen eines Anwaltsvertrages eine Überlegenheit des Anwalts gegenüber seinem regelmäßig rechtsunkundigen Mandanten (Chab in Zugehör/G. Fischer/ Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1385). Daher vermag beispielweise der ungünstige Ausgang eines Rechtsstreits in erster Instanz grundsätzlich noch nicht die erforderliche Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu vermitteln. Vielmehr muss der Mandant nicht nur die wesentlichen tatsächlichen Umstände kennen, sondern auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn - zumal wenn er juristischer Laie ist - ergibt, dass der Rechtsberater von dem üblichen rechtlichen Vorgehen abgewichen oder Maßnahmen nicht eingeleitet hat, die aus rechtlicher Sicht zur Vermeidung eines Schadens erforderlich waren (vgl. Gehrlein, aaO S. 153; Zu-13 gehör/Chab, aaO Rn. 1472, 1481; Fahrendorf in Fahrendorf/Mennemeyer/ Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl., Rn. 1108; Gräfe/Lenzen/ Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl., Rn. 874). Nicht die anwaltliche Beratung sondern erst der Pflichtenverstoß des Rechtsberaters begründet den gegen ihn gerichteten Regressanspruch (vgl. Chab, BRAK-Mitt 2010, 208, 209). bb) In Übereinstimmung hiermit stehen die Vorstellungen des Gesetzgebers zum Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3214), mit dem die bisherige kenntnisunabhängige Haftung des § 51b BRAO aF aufgehoben und die kenntnisabhängige Haftung des § 199 BGB auf die Anwaltshaftung erstreckt wurde. Die Gesetzesbegründung führte für die Anpassung der Anwaltshaftung an die allgemeinen Regelungen ausdrücklich an, dass es für den Mandanten regelmäßig schwierig zu beurteilen sei, ob sein Anwalt fehlerhaft gearbeitet hat und ob ihm hieraus ein Schaden entstanden ist. Insbesondere bei längeren Rechtsstreitigkeiten stelle sich dies oft erst sehr spät heraus (BR-Drucks. 436/04, S. 1 und 24 f). Die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, die bloße Kenntnis der anwaltlichen Beratung und der ihr zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände reichten aus (ebenso OLG Stuttgart, WM 2010, 1330; OLG Hamm, GI aktuell 2012, 111, 116), greift daher zu kurz. c) Solange das Mandat noch nicht beendet ist, sind weitere Besonderheiten zu beachten. Für ein fehlerhaftes Verhalten des Anwalts ist aus der Sicht des Mandanten dann regelmäßig kein Anhalt im Sinne grob fahrlässiger Unkenntnis gegeben, wenn der in Betracht kommende Fehler im Rechtsstreit kontrovers beurteilt wird und der Anwalt gegenüber dem Mandanten oder in Ausübung des Mandats nach außen hin die Rechtsansicht vertritt, ein Fehlverhalten liege nicht vor. Der Anwaltsvertrag ist in besonderer Weise durch gegenseitiges 16 Vertrauen geprägt (BGH, Urteil vom 23. Februar 1995 - XI ZR 29/94, WM 1995, 1064, 1071; vom 7. Februar 2013 - IX ZR 138/11, WM 2013, 942 Rn. 12). Dies gilt auch für das hier in Rede stehende zivilprozessuale Mandat (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2013, aaO). Die rechtliche Bearbeitung eines ihm anvertrauten Falles ist allein Sache des Anwalts. Der Mandant muss - selbst wenn er über eine juristische Vorbildung verfügt - sich darauf verlassen können, dass der beauftragte Anwalt die anstehenden Rechtsfragen fehlerfrei beantwortet und der erteilte Rechtsrat zutreffend ist (BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 - IX ZR 216/92, NJW 1993, 2747, 2750). Dem Mandanten obliegt es nicht, den Anwalt zu überwachen oder dessen Rechtsansichten durch einen weiteren Rechtsberater überprüfen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1993, aaO; vom 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, NJW 2000, 1263, 1265; vom 15. April 2010 - IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn. 14). Rät der Berater zur Fortsetzung des Rechtsstreits, hat der Mandant in der Regel sogar dann keine Kenntnis von der Pflichtwidrigkeit des Beraters, wenn das Gericht oder der Gegner zuvor auf eine Fristversäumung hingewiesen hat.
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bb) Auch für den Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung eines Amtshaftungsanspruchs muss der Geschädigte zumindest solche tatsächlichen Umstände kennen, die ihm eine schuldhafte Amtspflichtverletzung als naheliegend erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 - III ZR 76/92, NJW 1994, 3162, 3164; vom 2. April 1998 - III ZR 309/96, BGHZ 138, 247, 252 f; Beschluss vom 12. Oktober 2006 - III ZR 144/05, NVwZ 2007, 362 Rn. 27; vom 17. September 2008 - III ZR 129/07, nv, Rn. 1; Staudinger/ Wöstmann, BGB, 2013, § 839 Rn. 374).

cc) Ebenso wird in Fällen unzureichender Aufklärung für den Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung beim geschädigten Anleger auch die Kenntnis der Umstände einschließlich der wirtschaftlichen Zusammenhänge verlangt, aus denen sich eine Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt (BGH, Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1447; vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346 Rn. 27, jeweils mwN; vgl. auch MünchKomm-BGB/ Grothe, 6. Aufl., § 199 Rn. 26).

dd) In Einklang hiermit geht das Schrifttum allgemein davon aus, dass alleine die Kenntnis der tatsächlichen Umstände dem Laien noch keine Kenntnis der Pflichtwidrigkeit einer Handlung vermittelt (Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 3. Aufl., § 199 Rn. 24; Kesseler in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 8. Aufl., § 199 Rn. 14; Theisen/Theisen in Festschrift Nobbe, 2009, S. 453, 461 ff, 468).

b) Diese Grundsätze sind auch für die Rechtsberaterhaftung heranzuziehen.

aa) Der Mandant ist in einer vergleichbaren Lage wie der Patient, der Amtshaftungsgläubiger oder der Anleger. Auch er ist in der Regel nicht fachkundig, hat seine rechtlichen Belange dem dazu berufenen Fachmann anvertraut und kann daher dessen etwaige Fehlleistungen - eben wegen seiner Rechtsunkenntnis - nicht erkennen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2002 - IX ZR 99/02, WM 2003, 928, 930). Die Fachkunde des Rechtsanwalts und das Vertrauen seines Auftraggebers begründen typischerweise im Rahmen eines Anwaltsvertrages eine Überlegenheit des Anwalts gegenüber seinem regelmäßig rechtsunkundigen Mandanten (Chab in Zugehör/G. Fischer/ Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1385). Daher vermag beispielweise der ungünstige Ausgang eines Rechtsstreits in erster Instanz grundsätzlich noch nicht die erforderliche Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu vermitteln. Vielmehr muss der Mandant nicht nur die wesentlichen tatsächlichen Umstände kennen, sondern auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn - zumal wenn er juristischer Laie ist - ergibt, dass der Rechtsberater von dem üblichen rechtlichen Vorgehen abgewichen oder Maßnahmen nicht eingeleitet hat, die aus rechtlicher Sicht zur Vermeidung eines Schadens erforderlich waren (vgl. Gehrlein, aaO S. 153; Zu-13 gehör/Chab, aaO Rn. 1472, 1481; Fahrendorf in Fahrendorf/Mennemeyer/ Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl., Rn. 1108; Gräfe/Lenzen/ Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl., Rn. 874). Nicht die anwaltliche Beratung sondern erst der Pflichtenverstoß des Rechtsberaters begründet den gegen ihn gerichteten Regressanspruch (vgl. Chab, BRAK-Mitt 2010, 208, 209).

bb) In Übereinstimmung hiermit stehen die Vorstellungen des Gesetzgebers zum Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3214), mit dem die bisherige kenntnisunabhängige Haftung des § 51b BRAO aF aufgehoben und die kenntnisabhängige Haftung des § 199 BGB auf die Anwaltshaftung erstreckt wurde. Die Gesetzesbegründung führte für die Anpassung der Anwaltshaftung an die allgemeinen Regelungen ausdrücklich an, dass es für den Mandanten regelmäßig schwierig zu beurteilen sei, ob sein Anwalt fehlerhaft gearbeitet hat und ob ihm hieraus ein Schaden entstanden ist. Insbesondere bei längeren Rechtsstreitigkeiten stelle sich dies oft erst sehr spät heraus (BR-Drucks. 436/04, S. 1 und 24 f). Die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, die bloße Kenntnis der anwaltlichen Beratung und der ihr zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände reichten aus (ebenso OLG Stuttgart, WM 2010, 1330; OLG Hamm, GI aktuell 2012, 111, 116), greift daher zu kurz.

c) Solange das Mandat noch nicht beendet ist, sind weitere Besonderheiten zu beachten. Für ein fehlerhaftes Verhalten des Anwalts ist aus der Sicht des Mandanten dann regelmäßig kein Anhalt im Sinne grob fahrlässiger Unkenntnis gegeben, wenn der in Betracht kommende Fehler im Rechtsstreit kontrovers beurteilt wird und der Anwalt gegenüber dem Mandanten oder in Ausübung des Mandats nach außen hin die Rechtsansicht vertritt, ein Fehlverhalten liege nicht vor. Der Anwaltsvertrag ist in besonderer Weise durch gegenseitiges 16 Vertrauen geprägt (BGH, Urteil vom 23. Februar 1995 - XI ZR 29/94, WM 1995, 1064, 1071; vom 7. Februar 2013 - IX ZR 138/11, WM 2013, 942 Rn. 12). Dies gilt auch für das hier in Rede stehende zivilprozessuale Mandat (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2013, aaO). Die rechtliche Bearbeitung eines ihm anvertrauten Falles ist allein Sache des Anwalts. Der Mandant muss - selbst wenn er über eine juristische Vorbildung verfügt - sich darauf verlassen können, dass der beauftragte Anwalt die anstehenden Rechtsfragen fehlerfrei beantwortet und der erteilte Rechtsrat zutreffend ist (BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 - IX ZR 216/92, NJW 1993, 2747, 2750). Dem Mandanten obliegt es nicht, den Anwalt zu überwachen oder dessen Rechtsansichten durch einen weiteren Rechtsberater überprüfen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1993, aaO; vom 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, NJW 2000, 1263, 1265; vom 15. April 2010 - IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn. 14). Rät der Berater zur Fortsetzung des Rechtsstreits, hat der Mandant in der Regel sogar dann keine Kenntnis von der Pflichtwidrigkeit des Beraters, wenn das Gericht oder der Gegner zuvor auf eine Fristversäumung hingewiesen hat.},
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