OLG Celle, Beschluss vom 18. Januar 2002, Az. 14 W 45/01 - Sachverständige geht über Gutachtenauftrag hinaus, wenn er dem Gericht vorbehaltene Aufgaben wahrnimmt und den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits weist. January, 2002.
OLG Celle, Beschluss vom 18. Januar 2002, Az. 14 W 45/01 - Sachverständige geht über Gutachtenauftrag hinaus, wenn er dem Gericht vorbehaltene Aufgaben wahrnimmt und den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits weist [link]Paper  abstract   bibtex   
Die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen ist aus Sicht der Klägerin hier jedoch deshalb gegeben, weil der Gutachter in seinem - an sich billigenswerten - Bestreben, zu einer zügigen und gerechten Entscheidung des Rechtsstreits beizutragen, über die einem Sachverständigen gezogenen Grenzen hinausgegangen ist. Er hat sich nämlich nicht darauf beschränkt, die ihm vom LG gestellte Beweisfrage nach der Ausgangsgeschwindigkeit bzw. der Aufprallgeschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs bei dem Unfall vom 6.10.1992 zu ermitteln. Vielmehr hat er in seinem „Medizinisch-Technischen Biomechanikgutachten” festgestellt, dass eine leichte HWS-Distorsion bei der Klägerin nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Dauer von deren Beschwerden jedoch sachverständigerseits nicht mit dem Kollisionsablauf in Einklang zu stehen scheine, weil die Schmerzen entspr. der hierzu korrelierenden Erkenntnisse aus der Unfallforschung binnen maximal zwei Wochen vollständig hätten abgeklungen sein müssen. Auch wenn der Sachverständige A. insoweit die Einholung eines fachmedizinischen Zusatzgutachtens empfiehlt - eine Empfehlung, der das LG mit Beschl. v. 17.10.2001 auch gefolgt ist -, ist der Sachverständige mit diesen Feststellungen doch eindeutig über den ihm erteilten Gutachtenauftrag hinausgegangen. Dies gilt hier umso mehr, als sein Gutachten eine unfallkinematische und biomechanische Wertung des Unfallgeschehens hinsichtlich der Eintretenswahrscheinlichkeit einer Halsverletzung beinhaltet. Dass diese Bewertung nicht von den Beweisbeschlüssen des LG vom 25.1. und 29.3.2001 (Bl. 105 und 123) gedeckt ist, bedarf keiner näheren Begründung. Mit dieser Vorgehensweise hat der Sachverständige dem Gericht vorbehaltene Aufgaben wahrgenommen und dem LG den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits gewiesen (vgl. die vergleichbar gelagerten Fallkonstellationen, die den Beschlüssen des OLG Köln v. 30.12.1986 - 20 W 65/86, NJW-RR 1987, 1198 f., und des OLG Bamberg v. 22.3.1993 - 8 W 5/93, MedR 1993, 351 f., zugrunde lagen). Richtigerweise hätte der Gutachter auf eine Ergänzung der Beweisfragen hinwirken, es aber letztlich dem LG überlassen müssen, ihn auch insoweit zu beauftragen (vgl. OLG Köln v. 30.12.1986 - 20 W 65/86, NJW-RR 1987, 1198 f.; Musielak, 2. Aufl., § 406 ZPO Rz. 11).
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